Florale Ästhetik

Gott in der Schöpfung preisen. Sich an der Schönheit der Natur erfreuen, sich darin bewegen, von ihr inspirieren lassen, frische Luft, Stille und Chlorophyll tanken: in einer Welt, in der Menschen sich nicht mehr automatisch und selbstverständlich im Freien bewegen, wird dieses Bedürfnis besonders gross.
Als Ausdruck des Bilderverbotes entwickelt sich im Judentum, im Islam und im europäischen Mittelalter eine Ästhetik von Blattwerk und Blüten als ornamentales Stilelement. Damit wird die Natur in die geschlossenen Gottesdiensträume geholt und die Schöpfung präsent gemacht.
Ein paar Beispiele lassen eintauchen in einen Wald aus behauenen Steinen und geschnitztem Holz:

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Traditionelle Arabische Border
Ornamentik der Synagoge
Gotik Fensterrosen

Bilder: Anita Ochsner, Stadtkirche Glarus

Feigenbaum

Hinter unserem Haus wuchs ein wunderbarer Feigenbaum, der zweimal im Jahr Früchte trug, bis er einem Neubau auf dem Nachbargrundstück zum Opfer fiel. Die „Weihnachtsfeigen“ wurden in unseren Breitengraden nicht mehr reif. Doch die Sommerfeigen waren wunderbar süss und saftig. Meine „Zeit für Feigen“ (Mk 11,13) war am Morgen: auf dem Weg zur Arbeit pflückte ich mir eine Handvoll, denn abends waren alle reifen Früchte abgelesen.
Und immer wieder kam mir dabei die Begegnung Jesu mit dem Feigenbaum in den Sinn:
Zur Unzeit sucht Jesus nach Feigen am Baum. Als er keine findet, spricht er einen Bann über den Baum aus, der sich tatsächlich über Nacht bewahrheitet. Darauf hingewiesen, ermahnt Jesus die, die mit ihm unterwegs sind, zu einem Glauben an Gott, der stark genug sein kann, dass Gebete und Bitten sich erfüllen. Und weiter mahnt Jesus, nicht seinem ungeduldigen Vorbild gegenüber dem Feigenbaum zu folgen, sondern zu vergeben. (Mk 11,13-25). Das Wort wirkt. Nicht nur Gottes Schöpfungswort, sondern auch das Wort der Menschen. Also kommt es darauf an, was wir sagen, wünschen und wirken. Das Verhalten von Jesus irritiert. Er ist kein Supermensch ohne Fehl und Tadel, sondern muss sich korrigieren. Doch statt in beklemmende Selbstbeschuldigung zu verfallen, leitet er die Erkenntnis ab, dass Vergeben das angemessene Verhalten wäre. Durch Vergebung entsteht Lebensfülle, wo ein Bannspruch nur zum Verdorren führt.
Von solchen Gedanken erfüllt nasche ich eine Feige – aus dem Laden statt vom Baum – und frage mich, wann ich die „Zeit für Feigen“ ignoriere, wann mein Wort Verdorren auslöst und wie viel Kraft Vergebung manchmal braucht.

Mehr dazu unter Fokus Theologie Materialien/Download MK 11,12-14, 20-25
Um das Dokument zu öffnen, loggen Sie sich ein.

Denk nicht, dass es funktioniert

Esther Mathis

Die Künstlerin Esther Mathis hat aus Rüeblistümpfen neue Pflanzen wachsen lassen. Sie beschreibt die Zeit, in welcher die Stümpfe zu neuem Leben erweckt wurden: Viel Zeit und Aufmerksamkeit wird dafür benötigt, dass die Pflanzen nicht zu früh verrotten. Die Sorge für diese Karotten war ein Teil des ganzen Arbeitsprozesses. Die Pflanze wächst langsam aus dem Rüeblistumpf und auf seiner Schnittfläche bilden sich kleine feine weisse Wurzeln. Nach etwa vier Wochen ist die Zeit gekommen: Der Moment, wenn die zarten, empfindlichen Pflanzen stark genug sind, um in die Erde ausgepflanzt zu werden. Schösslinge sind aus den unscheinbaren Karottenenden ausgeschossen. Sie werden vermutlich in fruchtbarem Boden nach etwa zwei Monaten Blüten treiben. Aus den Samen einer solchen Blüte werden neue Karotten spriessen. Aber wenn du diesen Moment verpasst, wird die Pflanze verrotten und sterben.

Das Bild, das sie 2013 von diesem Prozess gemacht hat, heisst do not think it is going to work out.
Das Bild stimmt mich dankbar für alle abenteuerlichen Versuche der Evolution, die tatsächlich funktioniert haben.

i_dont_think_its_going_to_work_out

Ur-Teilen II

Genesis 1

6 Und Gott sprach: Es werde eine Feste inmitten des Wassers, und sie scheide Wasser von Wasser.
7 Und Gott machte die Feste und schied das Wasser unter der Feste vom Wasser über der Feste. Und so geschah es.
8 Und Gott nannte die Feste Himmel. Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein zweiter Tag.
9 Und Gott sprach: Es sammle sich das Wasser unter dem Himmel an einen Ort, dass das Trockene sichtbar werde. Und so geschah es.
10 Und Gott nannte das Trockene Erde, und die Ansammlung des Wassers nannte er Meer. Und Gott sah, dass es gut war.
11 Und Gott sprach: Die Erde lasse junges Grün sprossen: Kraut, das Samen trägt, und Fruchtbäume, die Früchte tragen auf der Erde nach ihrer Art, in denen ihr Same ist. Und so geschah es.
12 Und die Erde brachte junges Grün hervor: Kraut, das Samen trägt nach seiner Art, und Bäume, die Früchte tragen, in denen ihr Same ist, je nach ihrer Art. Und Gott sah, dass es gut war.
13 Und es wurde Abend, und es wurde Morgen: ein dritter Tag.

Am zweiten und dritten Schöpfungstag wird die Erde zu einem bewohnbaren Raum. Am zweiten Tag wird ins Wasserchaos eine Feste hineingesetzt und am dritten Tag auf dieser Feste die Wasser in Schranken gewiesen. Damit sind alle Voraussetzungen geschaffen, dass Wachstum einsetzen kann. Dies ist auch in der Sprache erkennbar: Nach dem undefinierten „es werde“  ist es jetzt die Erde, die junges Grün sprossen lässt. Ab sofort ist die Gestaltung des Lebens ein Miteinander von Himmel und Erde.
Gott wird nach der Bibel nur einmal – nach einem vernichtenden Urteil über die Menschen – den Versuch unternehmen, dieses Miteinander zu durchbrechen und dem Wasser wieder die Oberhand zu geben (Gen 6-8). Nach der Zerstörung reute es ihn und schwört er sich: Solange die Erde währt, sollen nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht. (Gen 8,22)

Deich

Eigentlich lernt der Mensch sehr viel von Gott.
Zum Beispiel, Wasser und Festland voneinander zu trennen.
Deich und Schutzwälle leisten genau dies. Doch Deiche können brechen und Wasser die Erde überschwemmen! Wenn es keine Barriere zwischen Wasser und Land mehr gibt und das Salzwasser des Meers das Trinkwasser ungeniessbar macht, wird Lebensraum zerstört.
Eine meiner frühesten Erinnerungen ist die grosse Sturmflut im Februar 1962, als Deiche brachen und selbst die höchsten Kaimauern überflutet wurden: Uns ging es gut, wird wohnten auf der Geest, die Flut kam nicht bis zu uns. Doch auch bei uns fiel der Strom aus, wir Kinder wurden mitten am Tag in Wintermänteln ins Bett gesteckt; für meinen kleinsten Bruder wurde der Schoppen auf dem Campingkocher gewärmt und den ganzen Tag lief ein Transistorradio.

Wasser und Fels II

oder: Eine Bedrohungslage setzt die Ethik nicht ausser Kraft.

Dem Volk Israel fehlt in der Wüste das Wasser. Exodus 17 Die Todesangst ist gross, denn ohne Wasser ist ein Überleben nicht möglich. Sie schreien Mose an, und nach einem Gebet gelingt es ihm mit seinem Stab Wasser aus dem Felsen zu schlagen, und das Volk überlebt. Soweit die Geschichte.
Zum Schluss wird eine Art Übersetzung dieser Erfahrung in eine theologische Sprache gemacht: „Und er (Mose) nannte den Ort Massa und Meriba, weil die Israeliten gehadert und weil sie den HERRN auf die Probe gestellt hatten, indem sie sprachen: Ist der HERR in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17,7; Zürcher Bibel)
Davon war vorher nicht die Rede. In der Erzählung geht es nur um das fehlende Wasser und das verständliche Schreien danach. Dieses Schreien und Hadern wird hier unvermittelt mit der Grundsatzfrage nach der Gegenwart Gottes gleichgesetzt. Soll man daraus ableiten: Einfach dasitzen und sich an Gottes Gegenwart freuen und dabei verdursten?
Ich glaube nicht. Gott kann es nicht wollen, denn sein Wesen ist Leben.
Vielleicht geht es darum: Das Volk kippt im Moment, wo das Leben gefährdet ist, aus der Beziehung mit Gott heraus. Es steigt aus dem „Kooperationsvertrag“ aus, der durch die wunderbare Befreiung aus der Sklaverei getragen hat. Statt wie befreite Erwachsene dazustehen und Lösungen zu suchen, macht es Mose für die ganze Misere verantwortlich. Die Kooperation zwischen Gott und Volk kippt wieder in eine Hierarchie und Selbstversklavung, in der das Volk sich selbst die neu erworbene Würde nimmt und sich wie ein quengelnder Vierjähriger benimmt, der die Lösung sämtlicher Probleme von seinen Eltern erwartet. Nur dass es keine Vierjährigen sind – und dass Mose in seiner nicht selbstgewählten Elternrolle um sein Leben fürchtet. Die vom Durst Bedrohten sind bereit, zu töten. Das ist das eigentliche Problem.
Wäre „Gott in ihrer Mitte“, würde sich die ganze Weisheit der Gruppe im Überlebenskampf zu einer Kooperation verbinden. Ich glaube, die daraus resultierende Lösung wäre mindestens so kreativ, wie der Stab, der Wasser aus dem Felsen schlägt.

Exodus

Exodus 14

21 Mose aber streckte seine Hand aus über das Meer, und Gott* trieb das Meer während der ganzen Nacht durch einen starken Ostwind zurück und legte das Meer trocken, und das Wasser spaltete sich.
22 Und auf trockenem Boden gingen die Israeliten mitten ins Meer hinein, während das Wasser ihnen zur Rechten und zur Linken eine Mauer bildete.

Die vielleicht bekannteste Bibelstelle, die sich mit der Trennung der Wasser befasst, wird in der Bibel mit dürren Worten beschrieben, hat aber Menschen zu allen Zeiten dazu angeregt, diese wenigen Worte breit auszuschmücken und blumig zu erzählen. Ob in Kinderbibeln, Spirituals, im Film „The Prince of Egypt“ oder Cartoons: die Szene, wie Mose das Meer teilt, damit das Volk den verfolgenden ägyptischen Truppen sicher entkommen kann, bietet Stoff für vielerlei Umsetzungen.
Hier meine liebsten Cartoons
Manche haben versucht, experimentell nachzuweisen, dass diese Geschichte meteorologisch möglich sei, doch damit wird die theologische Absicht der Erzählung übersehen: Mit dem Durchzug durchs Meer wird dichterisch das Schöpfungsgeschehen wiederholt. Die Wasser werden getrennt und dadurch entsteht (Über-)Lebensraum. Doch wenn die Wasser zusammenschlagen, ist kein Leben mehr möglich.

(*Hier weichen wir von der Zürcher Bibel ab, urspr. JHWH)

Aquarell

Wasser inspiriert mich. Ich sitze gern am Ufer und lausche dem Geräusch – auch stunden- und tagelang. Ich bin gern auf dem Wasser, lasse die Landschaften an mir vorbeigleiten, nie schneller, als meine Seele dem Fliessen folgen kann…
Ich möchte Wasser malen können, doch dafür reicht mein Talent nicht aus. Aber Lust dazu habe ich immer wieder und möchte Sie auch dazu verlocken. Es kommt ja auch nicht auf das Ergebnis an, sondern auf den Prozess und was dabei geschieht. Ich habe ganz simpel angefangen: Küchenpapier, wasserlösliche Neocolor, eine strapazierfähige Unterlage. Dann nahm ich die Farben des Wassers zur Hand: violett, grün, blau, und habe einfach drauflos gemalt. Soll ich das ganze Papier einfach unter den Wasserhahn halten? Dazu fehlt mir der Mut. Also nehme ich ein zweites Küchenpapier, mache es sehr nass und tupfe die eine Hälfte meiner Streifen feucht ab. Das Ergebnis fasziniert mich.

Ich wage im zweiten Versuch ein etwas schwierigeres Sujet, das meine künstlerischen Fähigkeiten trotzdem noch nicht überfordert. Ein Wassertropfen! Als ich ihn wieder nass abtupfe und die Farben an Leuchtkraft gewinnen, verlaufen die Konturen – es sieht nun so aus, als würde der Tropfen im Wasser schweben. Der Lichtreflex, den ich hatte aussparen wollen, verfliesst allerdings auch. Ich muss ihn mit dem weissen Stift nachzeichnen. Das funktioniert überraschend gut: offenbar ist das Papier nicht mehr so nass, dass die neue Farbe auch gleich verlaufen würde. Das macht mich noch einmal mutiger und ich wage mich an ein kleines Bild. Nun will ich nicht nur Wasser, sondern auch Himmel darstellen – um die „Wasser zu scheiden“, wie es in Genesis 1 heisst. So entsteht etwas wie ein kleines Bild. Und beim Fotografieren experimentiere ich zusätzlich mit dem Bildausschnitt und der Bewegung.

Diese Diashow benötigt JavaScript.

Das Spiel mit Wasser und Farbe war sehr inspirierend und kann nur wärmstens zur Nachahmung empfohlen werden!

Quellwasser umsonst

Jahreslosung 2018; Offenbarung 21,6

Gott spricht: Ich werde dem Dürstenden von der Quelle des Lebenswassers zu trinken geben, umsonst.

Wann hatten Sie den grössten Durst Ihres Lebens?
Quellwasser ist frischer als das in Zisternen gesammelte Regenwasser.
Trinkwasser-Reservoire sind ein wertvolles, für teures Geld gehandeltes Gut.
Wer durstig ist, gibt sich notfalls auch mit Brackwasser zufrieden.
Wir transportieren in Flaschen abgefülltes Wasser quer durch Europa, obwohl unser Leitungswasser frisch und gesund ist.
Eine der grössten Gefahren für Schiffbrüchige im Meer ist es, das Salzwasser zu trinken, das den Körper austrocknet, statt den Durst zu löschen.
Wo Wasserquellen privatisiert werden, wird Wasser zum Luxusgut.

Mehr zur Jahreslosung 2018 lesen Sie bei Fokus Theologie: Materialien/Download → Inhalte filtern nach Bibelstellen*→ Offb (zum Downloaden loggen Sie sich ein)